P.L. Biermann, H. Falcke, S. Casanova, T.
Kellmann,
Hyesook Lee,
S. Markoff, Meli, G. Pavalas, V. Tudose, A. Vasile
mit
Eun-Joo Ahn/Univ. Chicago, A. Donea/Univ.
Adelaide, Hyesung
Kang/Pusan National Univ., P. Kronberg/Univ. Toronto und
Los
Alamos, N. Langer/Univ. Utrecht, G. Medina-Tanco/Univ.
Sao
Paolo, N. Nemes/Univ. Cluj-Napoca, A. Popescu/Univ.
Bukarest, G.
Pugliese/Santa Cruz, W. Rhode/Univ. Wuppertal, Dongsu
Ryu/Chungnam
National Univ., Daejeon, Eun-Suk Seo/Univ. of Maryland, College
Park, G. Sigl/Institut d'Astrophysique, Paris, T. Stanev/Bartol
Research Inst., Univ. of Delaware, Newark, Y. Wang/Purple
Mountain
Observatory, Nanjing, T. Kephardt, T. Weiler, S.
Wick/Vanderbilt Univ., Nashville
Teilchen mit den größten Energien werden in
den Beschleunigern
bei CERN, DESY, Fermilab und Stanford zur Untersuchung dessen benutzt,
was die Welt im Innersten zusammenhält. Aber wir beobachten
Teilchen
mit Energien, welche die im Labor erzeugten um das Millionenfache
übertreffen:
Energien bis zu 3 x 1020 eV (das sind 50 Joule). Diese
Teilchen
von Energien um 1020 eV, ihre Natur, ihre Herkunft, ihre
Wechselwirkungen
zu erforschen ist daher eine der größten Herausforderungen
der
Physik heute.
Seit 1912 Victor Hess die ersten Beobachtungen der
"kosmischen Strahlung"
mit Ballonflügen machte, hat man gelernt, dass energetische
Teilchen
bis fast 1021 eV unsere Erde treffen. Bei 1020 eV
beobachtet man etwa ein Teilchen pro km2 pro Jahrhundert.
Die Teilchen stammen wohl aus einer Art Tennisspiel an
Stoßfronten;
solche Stoßfronten werden in unserer Galaxie von explodierenden
Sternen
erzeugt. Magnetische Irregularitäten auf beiden Seiten einer
Stoßfront
wirken dabei über eine resonante Teilchen-Welle Wechselwirkung wie
Tennisschläger. Die Grundidee dieses Prozesses geht auf Arbeiten
von
Enrico Fermi Ende der 1940er Jahre zurück. Wir konnten zeigen,
dass
Teilchen bis 3 x 1018 eV aus solchen Stoßfronten
herrühren
könnten. Ab dieser Energie gibt es Hinweise auf eine neue,
vermutlich
extragalaktische Komponente.
Beobachtungsmethoden: Die Teilchen der hohen
Energien treffen
in der oberen Erdatmosphäre auf einen Kern im ersten Stoß
und
initiieren so einen Luftschauer. Das ist eine Kaskade, bei der sowohl
neue
Teilchen erzeugt werden als auch Strahlung ausgesandt wird. Die neuen
Teilchen
dabei sind Pionen, Muonen, Elektronen und Positronen, sowie Neutrinos.
Die Strahlung besteht zum einen aus Cherenkov-Strahlung in der Luft,
Radiostrahlung
durch Geosynchrotronstrahlung (zu deren Messung neue Experimente
unterwegs
sind) sowie zum anderen aus einer deutlichen Fluoreszenz-Emission
angeregter
Moleküle der Luft.
Die extragalaktische Komponente: Diese
extragalaktische
Komponente, jenseits von 3 x 1018 eV sichtbar, scheint
überwiegend
aus Protonen zu bestehen. Protonen, und noch stärker ganze
Atomkerne,
erleiden Energieverluste in der Wechselwirkung mit den Photonen des
Mikrowellenhintergrundes
vom Urknall. Das heißt, dass Protonen aus einer Entfernung von
mehr
als etwa 50 Mpc zurückgelegtem Weg den größten Teil
ihrer
Energie verloren haben. Bei der doppelten Annahme von a)
vernachlässigbaren
intergalaktischen Magnetfeldern, und b) einer gleichmäßigen
Quellenverteilung sollte daher das Energiespektrum kosmischer Teilchen
bei etwa 5 x 1019 eV abschneiden. Dieses Abschneiden wurde
bisher
nicht gefunden.
In Abbildung 1 wird der Energiebereich
kosmischer Teilchen von
1017 eV bis 1019 eV gezeigt, und darin Daten der
Experimente Yakutsk, Akeno, HiRes und Fly's Eye (Zhen Cao & die
HiRes-Kollaboration).
Da die gegenseitige Kalibration der Experimente systematische Fehler in
der Energie der Teilchen enthalten kann, wurden hier alle Daten auf das
HiRes-Experiment renormiert. Dargestellt wird der differentielle Fluss
als Funktion der Energie E mit dem Faktor E3 multipliziert.
Man erkennt deutlich ein weiteres Abknicken bis etwa 3 x 1018
eV, was wir als das endgültige Abschneiden der galaktischen
Komponente
deuten.
In Abbildung 2 werden AGASA Daten gezeigt
zusammen mit einem
simplen Modell des erwarteten Spektrums bei gleichmäßiger
Quellenverteilung
(Masahiro Teshima, AGASA, sowie Hans Blümer, Karl-Heinz Kampert,
Karlsruhe).
In Abbildung 3 sieht man die Himmelsverteilung
aller AGASA Ereignisse
(Masahiro Teshima, AGASA, sowie Hans Blümer, Karl-Heinz Kampert,
Karlsruhe).
Dabei ergibt sich eine Häufung von Dubletten und
Tripel-Ereignissen
in der Ankunftsrichtung am Himmel.
Abbildung 4 zeigt das unrenormierte Spektrum
aller existierenden
und zitierfähigen Daten jenseits von etwa 3 x 1017 eV,
aus HiRes, Fly's Eye, AGASA und Akeno (Gordon Thomson & Doug
Bergman,
Rutgers Univ.).
Alle vier Abbildungen entsprechen dem Stand vom Sommer
2001, dem Zeitpunkt
der letzten großen "International Cosmic Ray Conference", in
Hamburg.
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Abbildung 1
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Abbildung 2
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Abbildung 3
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Abbildung 4
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Die beobachteten Ereignisse zeigen eindeutig weder das zwingend
erwartete
Abschneiden im Spektrum, noch in ihrer Ankunftsrichtung die erwartete
völlig
gleichmäßige Verteilung am Himmel.
Theoretische Deutungen: Die theoretische
Deutung dieser
Ergebnisse war ein Schwerpunkt unserer Arbeit in den letzten Jahren.
Dabei
war insbesondere die Erkenntnis wichtig, dass kosmische Magnetfelder
eine
große Rolle spielen müssen.
Aus Radiobeobachtungen wissen wir heute, dass
Magnetfelder in Haufen
von Galaxien stärker sind als in unserer Galaxie, und, dass es
intergalaktische
Magnetfelder außerhalb von Haufen gibt. Aus kosmischen
Simulationen,
die wir durchgeführt haben, wissen wir, dass kosmische
Magnetfelder
die gleiche Grundstruktur in ihrer Verteilung zeigen wie auch die
Galaxien:
Sie sind extrem inhomogen, mit riesigen Unterschieden in ihrer
Stärke
in den kosmischen Filamenten und dazwischen. Das kann zu einer Art
"magnetischem
Linseneffekt" führen - analog dem Gravitationslinseneffekt. So
haben
wir gezeigt, dass kosmische Magnetfelder den Weg geladener Teilchen von
der Quelle bis zu uns entscheidend beeinflussen; andererseits haben wir
aber auch zeigen können, dass eine etwaige Korrelation der
Ankunftsrichtungen
am Himmel mit kosmischen Quellen in großer kosmologischer
Entfernung
bedeutet (siehe Abb. 3), dass die Teilchen ungeladen sind, und
so
mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz neue Teilchen sein müssen, etwa
Teilchen der Supersymmetrie.
Nahe astronomische Quellen sind so gut wie
ausgeschlossen, wenn kosmische
Magnetfelder zu schwach sind, um die Teilchen signifikant abzulenken.
Denn
dann müssten alle gefundenen kosmischen Teilchen direkt auf nahe
astronomische
Quellen zeigen, die wir aber nicht finden.
Bereits die erste Vermutung, von Vitalij Ginzburg, zur
Deutung der hochenergetischen
Ereignisse war, dass Radiogalaxien wie M87 die besten Kandidaten sein
könnten.
Radiogalaxien sind allerdings so selten, dass ohne ein Verständnis
der intergalaktischen Magnetfelder es nicht aussichtsreich erscheint,
gute
Kandidaten zu identifizieren: wie wir zeigen konnten, ist die Galaxie
M87
ein guter solcher Kandidat; M87 ist auch nahe genug im Kosmos zu uns.
Angesichts
der vielen am Himmel etwa gleichmäßig verteilten Ereignisse
brauchen wir dann aber eine sehr deutliche Streuung im
intergalaktischen
Magnetfeld sowie möglicherweise auch im Magnetfeld des Halos
unserer
Galaxie.
Andere kosmische Explosionen sind Gamma-Ray-Bursts. Sie
können
auch Teilchen beschleunigen, nur passierten die meisten dieser
Explosionen
in den Frühzeiten des Kosmos. Aufgrund unserer Emissionsmodelle
und
einer Untersuchung der kosmologischen Verteilung von Gamma-Ray-Bursts
meinen
wir aber, dass die Anzahl dieser kosmischen Explosionen nicht
ausreicht,
um den gemessenen Fluss kosmischer Teilchen zu erklären.
Alle Thesen (es gibt noch viel mehr als hier
aufgeführt werden
können) haben ernsthafte Probleme, die weitere Fragen aufwerfen,
und
wir sind noch nicht davon überzeugt, dass exotische Modelle auf
genügend
fundierter Grundlage stehen. Neue Experimente werden hier aber sicher
weitere
Fortschritte bringen.
Experimente der Zukunft: Was sind die
Experimente der
nahen und fernen Zukunft? Das Experiment HiRes wird als
Nachfolgeexperiment
von Fly's Eye in der Nähe von Salt Lake City entwickelt und zeigt
erste Ergebnisse (Abb. 1 & 4). Das Experiment AUGER wird in
der argentinischen Pampas bei Malargue gebaut und wird als erstes
Experiment
die beiden Techniken der Wasser-Cherenkov-Technik mit der der
Luft-Fluoreszenz
kombinieren. Mit unseren theoretischen Vorhersagen sind wir an der
Planung
und Interpretation des AUGER-Experiments beteiligt. In einem anderen
Experiment
(LOPES), das wir zur Zeit aufbauen, wird versucht, die Radiostrahlung
kosmischer
Schauer zu untersuchen. Es gibt auch zwei Versuche, die Fluoreszenz von
Luftschauern vom Weltall aus zu beobachten, einmal in Europa das
Projekt
EUSO, an dem wir ebenfalls beteiligt sind, auf der Raumstation, und das
weiter in der Zukunft liegende Projekt der USA, mit Hilfe von mehreren
Satelliten Luftschauer zu beobachten, OWL.
Mithilfe dieser Experimente und ihrer theoretischen
Interpretation versuchen
wir zusammen mit unseren Kollegen die oben gestellten Fragen zu
beantworten.
Schließlich stellen die beobachteten Teilchen der höchsten
Energien
eine besondere Herausforderung dar: für unser physikalisches
Verständnis
der Natur solcher Teilchen, für das Verständnis ihre Herkunft
und ihren Weg durch den Kosmos, wie auch für den Experimentator.
Ultrahochenergetische
Teilchen gehören damit zu recht den großen fundamentalen
Fragen
der heutigen Physik
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© 2002 Max-Planck-Institut
f. Radioastronomie.
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